Da uns in den letzten Tagen viele Anfragen zu Charlys unveröffentlichten Büchern erreichten, haben wir bei Charlys Töchtern nachgefragt, ob sie hierzu etwas sagen können. Dies hat uns erreicht:
Charly Davidson: „TAUSAND TRÄUME (und andere Kurzgeschichten aus Zinnober)“
- Acht Texte / bisher unveröffentlicht -
I. - Tausand Träume (1978)
II - Das Herrenhaus (1976)
III - Sunder Bay (1977)
IV - Drakeman (1977)
V - Als der große Regen kam (1978)
VI - Wellenreiter (1977)
VII - Zirkusdelphine (2002)
VIII - Symbiose (1978)
Zur Handlung:
Zinnober ist ein Küstenort, irgendwo in der Zukunft, der seinen Namen von der Farbe seiner Sandstrände und Dünen erhielt. Auch in der Umgebung von Zinnober wirkt alles, wie eine Landschaft auf dem Mars, wäre da nicht der azurblaue Himmel und das tiefblaue Meer. Diese Kombination aus Rot und Blau hat Zinnober einst berühmt gemacht. Viele Jahrzehnte lang war „Zino“ der globale Trend-Urlaubsort schlechthin; aus der ganzen Welt kamen die Schönen und Reichen um hier einen Teil ihres Jahres in wohliger Dekadenz zu verbringen.
Doch die „rot-blau-goldenen Zeiten“, wie man sie nannte, sind nun auch schon einige Dekaden her. Jetzt ist Zinnober abgerutscht in der Beliebtheitsskala, hat sogar schon fast die Phase des Massentourismus hinter sich gebracht und träumt trotzdem weiter von der guten alten Zeit. Dies allerdings im Angesicht von Gewalt, Umweltzerstörung, Entfremdung und einem allgemeinen Unbehagen angesichts der nur scheinbar funktionierenden Gesellschaft, die sich schon fast überlebt hat.
Hier beginnen Davidsons Kurzgeschichten um die „Tausand Träume“ dieses Küstenortes, der auch etwas in sich hat von Llareggub, der kleinen Stadt an der walisischen Meeresküste, die Dylan Thomas einst als Ort voller Tag- und Nachtträumer „Unter dem Milchwald“ beschrieb. So ist es in Zinnober ein „Milchmond“, unter dessen Licht Sünder bevorzugt in der „Sunder Bay“ baden, denn man erzählt sich, dort könne man sich von seinen Sünden reinwaschen lassen. Doch wo bleiben die Sünden danach?
Der „Drakeman“ fliegt, nur mit einem einzigen Seil am Boden fixiert, in einem Spezialanzug durch die Luft, träumt dabei aber nicht von Geld oder Bewunderung, sondern wartet auf „El Nondo Mondo“, auf die Windböe, die es nur einmal im Leben gibt und die einen Menschen um die ganze Erde tragen kann.
„Als der große Regen kam“ finden das alle in Zino zuerst spaßig, dann aber, als viele Gäste ihre Buchungen stornierten, machen Geschäftsleute aus der Not eine Tugend und locken Gäste mit neuen Angeboten wie Regentanz und Tropfenmassage an. Ein Bewohner aus Zinnober geht der Sache auf den Grund und was er herausfindet, ist gar nicht gut für die Stadt.
Der Wanderzirkus „Baya Marino“ zieht durchs Zinnober-Land nach dem Motto: Man nehme einen Bagger, grabe ein Loch in den Sand, lege das Loch mit einer Folie aus und lasse ein paar tausend Liter Wasser hineinfließen. Dann kippe man eine gute Prise Kochsalz und Chlorid hinein und fertig ist das Delphinarium, in dem die Zirkusleute Delphine und Seelöwen tanzen lassen. Schon bald hat das Mädchen Solitude Visionen. Die Tiere des „Baya Marino“ nehmen Kontakt mit ihr auf und Solitude beschließt, ihnen zu helfen.
Die „Law & Order Company“ sucht in der Nähe der drei großen Dünen nach Gold und findet auch solches. Es dauert nicht lange und ganz Zinnober wird von Glücksrittern heimgesucht. Einem Officer der Beachpolice kommen Zweifel an den Goldfunden. Überrascht stellt er fest, dass die L&O-Company von einer jungen Frau namens Stacy Grove geführt wird, der alle Männer zu Füssen liegen. Er ist sich sicher, die junge Frau früher schon einmal gesehen zu haben und entdeckt dabei eine „Symbiose“.
Am Strand von Zinnober gibt es einen neuen Sport: Das Wellenreiten auf dressierten Delphinen, deren Abrichten extrem teuer ist, weshalb sich diesen Sport nur die Superreichen leisten. Jeden Abend sitzen einige tausend Menschen am Strand und beobachten den bizarren Wettstreit. Bei den Beckerich Brüdern Burt und Geryon, Söhne eines Getränke-Milliardärs, ist der Ehrgeiz erwacht, den anderen zu besiegen, selbst wenn sein Tod der Preis für den eigenen Sieg sein sollte. Und so kommt es unweigerlich zum Showdown am „Love Beach“.
Wir finden: Alles in allem großartige Plots für (so darf man hoffen) atemberaubende Science-Fiction-Geschichten, die Davidson im Alter von etwa zwanzig Jahren schrieb, als er stark beeinflusst von den "Vermilion Sands" Erzählungen J. G. Ballards war. Ballards Vorlage und Dylans Wald schimmern ganz erheblich durch und lassen erahnen, was sich zwischen den Buchdeckeln verbergen kann. Bei den „Tausand Träumen“ geht es augenscheinlich nicht um Raumgefechte oder Alien-Invasionen, sondern um die literarische Beschreibung einer sich selbst entfremdeten und fortlaufend verändernden Gesellschaft, die auf eine Katastrophe zuläuft, deren Auswirkungen sich zuerst im Menschen und seinem Verhältnis zur Umwelt manifestieren.
Alleine, heute liest kaum noch jemand Kurzgeschichten, was erklärt, dass die „Tausand Träume“ noch nicht veröffentlicht wurden. Man darf für alle Science-Fiction- wie Davidson-Fans hoffen, dass es trotzdem eines Tages so weit sein wird.
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