Montag, 24. August 2009

Montag, der 24. August 2009

In der heutigen Ausgabe des ELECRONICLE Magazins ist ein Interview mit dem britischen Musiker, Musikproduzenten, Musiktheoretiker und bildenden Künstler Brain O-N-E (bürgerlich: Brian Thomas Gary Charles Earl of Barqin) enthalten, der als Innovator in vielen Bereichen der Musik gilt. O-N-E war seit 1976 mit Charly Davidson bekannt und seit 1989 mit ihm befreundet. 2003 gründete er gemeinsam mit ihm das Musiklabel CBQ (= Charlys Brain Quadrant). Das Interview ist überschrieben mit:

"KARL WAR EIN GENIE"

EC: Vier Monate ist es her, dass Ihr Freund und Geschäftspartner Karl David Korff auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Denken Sie oft an ihn?

BO: Man ist nie darauf vorbereitet, das physische Verschwinden eines Menschen zu bewältigen, mit dem man eine gemeinsame Zeit verbracht hat und von dem man so gute Erinnerungen zurückbehält. Aber wenn die Tragödie einen so taletierten Menschen trifft, ist die Frustration noch größer. Sein Tod war tatsächlich eine Tragödie. Vor allem, weil er nicht durch eigene Dummheit starb, wie Cozy Powell mit dem ich auch befreundet war, sondern einfach so in der Blüte seiner Arbeit. Ich bin immer noch tief erschüttert.

EC: Was erschüttert Sie am meisten?

BO: Es fällt mir schwer, die Gefühle zu beschreiben. Als ich von seinem Tod erfuhr war ich völlig schockiert, völlig leer, und bis heute ist es nicht viel anders geworden. Mein ganzes Mitgefühl galt und gilt seiner Familie. Karl war nicht nur ein erstklassiger Künstler, sondern auch ein toller Mensch. Wir haben wunderbare Gespräche geführt und er konnte aus dem Stehgreif Ideen entwickeln, innovative Dinge. Sein Tod ist ein immenser Verlust. Er wird uns fehlen, als herausragender Musiker und als außergewöhnlicher Mensch.

EC: Wie lernten sie sich kennen?

BO: Das war 1976 in Berlin. Karl war damals 18 Jahre alt und mit seinem Auto, einem alten weißen VW Käfer, von Frankfurt am Main durch die DDR bis nach Berlin-West gefahren, um mich zu treffen. Ich hatte keine Ahnung davon, arbeitete gerade dort mit David Bowie und eines Tages steht da dieser große, dürre Junge und ich denke erst, das ist so ein Junkie und es stellte sich heraus, er war auch einer, aber keiner auf Drogen. Der Kerl war Electronic-Junkie.

EC: Was wollte er von Ihnen? Ein Autogramm?

BO: Er wollte sich mit mir über meine selbstgebauten Musikinstrumente unterhalten, über die, die ich bei meiner Zeit mit STREETLIFE gebastelt hatte. Karl hatte in irgendeiner Zeitschrift davon gelesen: Brain O-N-E, der Paradiesvogel mit den Frauenklamotten und der Federboa, der Verrückte, der sich seine Instrumente selbst baut- Er erzählte mir, dass er auch elektronische Instrumente gebaut hat und gab mir eine Cassette.

EC: Was war auf der Cassette zu hören?

BO: Seine Elektro-Musik. Ich muss aber zugeben, und das habe ich ihm später auch gebeichtet, dass ich die Cassette nicht angehört habe. Sagen wir einmal: ich habe das Tape "verloren". Viele Jahre später, ich glaube es war mehr als eine Dekade vergangen, gab er sie mir dann noch einmal, als ich von ihm in sein Studio eingeladen wurde. Da war er in Deutschland schon ein berühmter Musiker und nannte sich Charly Davidson.Was soll ich sagen: ich habe sie mir angehört. Nicht weil er darauf bestanden hatte, sondern weil ich mehr über diesen Kerl herausfinden wollte.

EC: War diie Musik des achtzehnjährigen Karl David Korff aus ihrer Sicht gut?

BO: Erstens war Karl gerade einmal Sechzehn, als er sie sufgenommen hatte, glaube ich jedenfalls, und zweitens, wenn man 'gut' im Sinne von 'war sie geeignet Emotionen auszulösen' definiert, dann war sie genial. Auch aus heutiger Sicht noch partiell zeitlos. Karl war ein Genie, schon als Jugendlicher. Ich bedauere, dass ich sein Tape in Berlin verloren hatte. Einige Stücke waren natürlich bodenloser Leichtsinn, aber Passagen seiner Musik waren und sind heute noch unglaublich innovativ. Trotzdem machte er eine Karriere als Rockmusiker. Welch eine Verschwendung. Wir haben oft darüber geredet, was geschehen wäre, wenn ich ihm damals geraten hätte, den elektronischen Weg zu gehen. Ich konnte es ja beurteilen, denn ich kam ja von einer Rockband. Karl sagte mir, er hätte meinen Rat wohl befolgt. So habe ich durch Unterlassen den Lauf der Geschichte geändert.

EC: Sie haben eine eigenes Laben namens "b-o-n-e", hatten zusammen aber ein Label namens "CBQ" und erwerben nun, gemeinsam mit einem weiteren Freund Korffs, große Teile der Musikinstrumentensammlung aus Karls Studio.

BO: Wir mussten es tun. Karls Kinder haben keine Motivation und nicht genügend Geld um sein Studio weiterzubetreiben. In Deutschand müssen die Erben eine Menge Erbschaftssteuer zahlen und hier sind Karls Kinder die Alleinerben. Also hat man sich entschlossen, das Studio zu verkaufen und die Instrumente zu versteigern. Rainer Sauer, der gerade ein Buch über Charly schreibt, und ich haben eine Vereinbarung mit den Kindern getroffen, dass wir bestimmte Stücke aus Karls Sammlung erwerben und so vor der Versteigerung retten. Es sind unwiederbringliche Stücke darunter, wie Keith Emersons MOOG Modular System, das er bei "Pictures at an Exhibition" spielte, oder Gershon Kingsleys KURZWEIL Synthesizer. Wir, die Musikwelt, kennen Kingsley vor allem durch seine Komposition "Popcorn", aber er ist ein großer zeitgenössischer Komponist.. Uns beide haben aber vor allem Karls Synthesizer Eigenbauten interessiert und mich persönlich ein TELEFUNKEN "Echo"-Mischpult, das früher KRAFTWERK gehörte, und das mir Karl einst aussgeliehenn hatte.

EC: Wie standen und stehen Sie Davidsons Hauptmusikrichtung, dem Deutsch-Rock, gegenüber?

BO: Es geht im Grunde in der Musik doch um die Qualität, nicht um ihre Orientierung. Außerdem ist es für mich eine Grundregel, andere Menschen so zu akzeptieren, wie sie sind. Egal, um was es dabei geht.

EC: Welche Lücke hinterlässt Karl David Korff in der Musikszene?

BO: Er konnte einfach so aus dem Stehgreif unglaubliche Song-Intros entwickeln. Das konnte niemand so gut wie er und ich habe nun wirklich mit vielen Musikern zusammengearbeitet. Für mich persönlich ist dies der größte Verlust. Generell gesehen hatte Karl immer weitreichende Ideen und neben der "Lounge-Musik", deren Vater er ist, wäre ihm bestimmt irgendwann noch ein weiteres Musikgenre eingefallen.

EC: Eine letzte Frage: Gerade kommen Sie aus Toronto zurück, wo Sie mit Sting an dessen neuem Album gearbeitet haben. In Kürze geht es wieder los nach Hongkong, wo sie mit Lang-Lang eine Platte produzieren. Dazwischen sollen Sie Songs von Depeche Mode abmischen und arbeiten auch noch an Ihrer neuen Solo-Platte. Was machen Sie in Ihrer knappen Freizeit?

BO: Oh, ich liebe es, Fernseher und Radios zu reparieren. Es sind die einfachen, die elementaren Dinge in meinem Leben, die mir neben der Klangmalerei Erfüllung und Glück bedeuten.


Das Interview führte Steve Griffin © 2009 für das ELECRONICLE Magazin/London

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