Samstag, 8. August 2009

Samstag, der 8. August 2009

Grund: 17 TAGE EUROPA
(Charly Davidsons Sommerreise 2002)
Donnerstag / 2002-08-08
Der fünfzehnte Tag / Hünxe | Köln-Hürth | Frankfurt | Aschaffenburg | Wertheim
KRAFTWERK LIVE

Es regnet in Strömen (... Anmerkung der Herausgeber vom August 2009: Über Mitteleuropa hatte sich schon am Tag zuvor eine Schlechtwetterfront zusammengefunden, die in den Morgenstunden des 08. August 2002 Richtung Alpen zog und vornehmlich in Süd-, Mittel- und Osteuropa, zu sintflutartigen Regenfällen, Unwettern und Schlammlawinen führte, die großen Teilen Europas das erste Jahrhunderthochwasser mit Verwüstungen, Tod, Verzweiflung, Fassungslosigkeit und kaum wieder gut zumachenden Schäden brachte ...) als ich gegen 7 Uhr 30 in Hünxe losfahre. In Macon hatte ich mir eine CD von KRAFTWERK gekauft mit Liveaufnahmen aus dem Jahre 1974,, die ich mir nun anhöre, sicherlich lange illegal veröffentlicht, denn KRAFTWERK selbst haben niemals eine Live-Platte veröffentlicht. Aber inzwischen sind in Europa Livemitschnitte mit Ablauf des 25. Jahres nach der Aufnahme legalisiert worden und bedürfen nicht mehr der Zustimmung der Künstler, wenn sie veröffentlicht werden, sofern man ihnen alle sonstigen vorgeschriebenen Abgaben zahlt; dies schient mir eine deutsche Gesetzesvorlage gewesen zu sein.

Also höre ich nun wie Florian Schneider vor 28 Jahren über das
fahrn, fahrn, fahrn auf der Autobahn singt mekr, daß dies mitunter auch ganz schön anstrengend sein kann. Kurz vor Köln wird der Regen allerdings so stark, daß auf der Autobahn nichts mehr voran geht. Die Wassertropfen, die auf die Autos schlagen, sind so dick wie kleine Meeresquallen und führen dazu, daß kein Autofahrer auf der Autobahn weiterfahren will. Alles steht. KRAFTWERK spielen nun ihre Kometenmelodie und das Wetterkraftwerk öffnet seine Schleusen um eine weitere Stufe. Jetzt erlebt man, was es heißt, wenn es wie aus Eimern regnet. Die A3 fasst die Wassermassen nicht mehr, dafür wurde sie auch nicht gebaut. Eine Viertelstunde lang dauert das Schauspiel, dann ist die unsterbliche Natur wieder dazu übergegangen, Gnade gegen uns Sterbliche walten zu lassen und es regnet nur noch in Strömen.

Irritiert stelle ich fest, daß es bei Windstärken zwar eine Maßeinheit gibt, die es den Menschen erlaubt subjektive Einschätzungen zu finden. Für Regen gibt es eine solche nicht. Noch nicht. Die zukünftigen Klimaveränderungen auf unserer Mutter Erde werden dies aber noch notwendig werden lassen, das steht unweigerlich fest, und Literangaben pro Qm sind ungeeignet, das unbändige Potential der Kraft des Niederschlags für den menschlichen Geist fassbar zu machen.

Dinge gibt es zwischen Himmel und Erde, die sich unser Verstand nicht vorstellen kann. Shakespeare hat dies so beschrieben und Goethe auch. Meine Intepretation dieser Metapher ist aus den später Siebzigern und weitaus trivialer. Trotzdem passt sie, bei den Regengüssen, die ich heute erleben mußte. Auf der Autobahn vor Köln ein Stau allein wegen des Regens: So etwas habe ich noch nie zuvor im Leben erlebt. Es war fast wie bei meinem
Appell Noahs an die Menscheit“, verfasst 1979 und vorgetragen auf meiner ICH GEBE ZU ... Bedenken“ Lesereise, die ich damals mit meinem Freund Lukas Linde unternahm ...

Ihr Narren! Wie könnt ihr bei solch einem Guß
überhaupt an ein Ausruhen denken?
Wenn ihr hättet gesehn, was ich einst erlebte
ihr würdet die Häupter senken.

Ein Strom mit unendlicher Fülle / warf sich auf die Erde herab
und ich sah die Flut mit Grausen / mich in einem feuchten Grab.
Doch die Wut des Himmels brachte / noch mehr Tosen, noch mehr Urgewalt
und so mächtge Wassermassen / dass der Hilferuf tonlos verhallt.
Dreißig Tage, dreißig Nächte / Regen und kein End‘ ist zu sehn
Mensch der du dies miterlebtest / weißt: Es wird zu Ende gehen!

Wenn ihr hättet gesehn, was ich einst erlebte
ihr würdet die Häupter senken.
Ihr Narren! Wie könnt ihr bei solch einem Guß
überhaupt an ein Ausruhen denken?“

Bei mir und im heute ist es inzwischen kurz vor 10 Uhr als ich zu einem kleinen Abstecher in Köln-Hürth eintreffe. In Köln-Hürth befinden sich die MAGIC-MEDIA-STUDIOS, Heimat vieler deutscher TV-Sendungen von der klassischen Gossip- und Talkshow bis hin zu
TV-Total. Der Zenit des Erfolges der Studios ist schon einen halben Tag überschritten, also ist das Gelände gerade richtig, um weitere Inspirationen meiner „Tausand Träume zu überprüfen. Schon wenige Minuten später bin ich in Hürth (das 'Köln' vor ihrem Ortsnamen hören die Hürther nicht so gerne; sie sind wohl ein eigenständig Völkchen) und suche den größten Medienstandort Europas. Um 11 Uhr suche ich ihn noch immer und bin doch schon drei Mal an ihm vorbei gefahren - ohne es zu wissen.

Als ich ihn dann gefunden habe, muß ist feststellen, daß man mir mit Weitwinkelobjektive bisher ganz offensichtlich ein Streich gespielt wurde, denn die MAGIC-MEDIA-STUDIOS sind so klein, daß sie in jedem der vier Gewerbegebiete Jenas ausreichend Platz gefunden hätten.Das Flair des Medienstandortes hatte sich zudem, ganz wie eine Diva, gerade in einen Ruheschlaf zurückgezogen: Sommerpause. Aber andererseits bekomme ich so einen perfekten Einblick in eine schon etwas kokonisierte High-Tech-TV-Produktionsanstalt. Die nächste Side-Plot-Idee für ein Buch, das ich noch nicht geschrieben habe, ist damit fertig; den Titel habe ich allerdings schon einige Zeit in meinem Kopf:
Moonopolis. Man muß eben nur mit offenen Augen und viel Phantasie durch die Welt laufen. Dann ist alles möglich. „Sans la liberté de blamer, il n‘est point d’éloge flatteur“; ein Zitat von Pierre Augustin de Beaumarchais, der mit Der Barbier von Sevillia einen gewissen Wolfgang Amadeus M. inspirierte.

Weiter geht die Fahrt nach Wertheim, dem Städtchen an der Mündung von Main und Tauber, wo ich auf dem Campingplatz an der Christwiesen den vorletzten Tag meiner Europareise verbringen werde. Zäh zieht es sich über die Autobahn, nicht ohne daß ich bei Wiesbaden nochmals eine, diesmal aber abgeschwächte, Version des morgendlichen Regenschauspiels erleben durfte. Wieder halten die Autofahrer an. Es wird wohl noch eine ganze Zeit lang dauern, bis ich in Wertheim ankomme.

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