Freitag, 21. November 2008

Freitag, der 21. November 2008 / Edit 2

MUSIKER MUSIK NEWS VERMELDET:
"DAVIDSONS HEILGER GRAL KOMMT ZU WEIHNACHTEN" (Teil 2)
von Christian Menke

Unfassbar, aber wahr: fast 15 Jahre haben Rockfans auf DAS Album von Charly Davidson gewartet, jetzt erscheint "TOR" tatsächlich, Davidsons Opus Magnum, und der kämpft auf ihm, so wird in Insiderkreisen gemunkelt, mit der eigenen Legende wie mit einem Drachen - mal grandios, mal furchterregend.

(Fortsetzung)

Je länger sich das Warten auf "TOR" für seine Fans wie die skeptischen Kritiker hinzog (eine große Volks-Zeitung wollte gar erfahren haben, das Davidson den Titel zwischenzeitlich in "Thor" abgeändert hätte), je mehr Hiobsbotschaften über den Geisteszustand Davidsons hin und her geraunt wurden, desto mehr wurde "TOR" zum Heiligen Gral der Rockmusik. Dieses mythologische Gefäß soll bekanntlich zu Glückseligkeit und ewiger Jugend verhelfen. Mindestens. Aber natürlich weiß man heute, dass der Gral ein Mythos ist, ein Wunschbild, eine Projektionsfläche, ein Traum. Aber facetten wie die "Thor"-Legende in BILD zeigte auch, welch genialer Namens-Schachzug Davidson mit dem Albumnamen gelungen war ... jedenfalls so lange das Album nicht erschien.

Und dann hört man am Mittwoch plötzlich ohne PR-Vorankündigung die ersten Takte des ersten Songs von "TOR" im Radio; ein eilig an die Rundfunkanstalten verschickter Schnipsel als Appetithäppchen. Das Intro
"Mentor" betitelt, fängt an mit einem irren, geisterhaften Lachen ganz weit weg. Dann schwellen Stimmen an, vielleicht russisch? Ein schwerer Synthesizertakt beginnt und ein metallisches, elektronisch verzerrtes Gitarrenriff. Ein Anschwellen, ein Zusammenbrauen, dann Charly Davidsons Stimme, älter, rauer, aber vertraut: "Was solls?" spricht er, lacht erneut und das war's. Der Bann ist zwar gebrochen, der Gral und sein Inhalt aber auf das Normalmaß einer Getränkedose geschrumpft.

Alle Instrumente habe Charly dieses Mal allein gespielt, behauptet der Promo-Text; mag sein. Und der erste Satz Davidsons:
"Was solls?" ist lässig zu nennen, abgefuckt, oder komplett wahnsinnig. Diejenigen, die das Album probeweise schon hören durften, erzählen leise davon, dass es auf ihm erschreckende Momente gäbe. Etwa wenn der 50-jährige Davidson versucht, so zu tun, als sei seine Stimme immer noch so kräftig wie mit Mitte zwanzig. Da hätte es eine ganze Menge Auto-Tune-Software und allerlei elektronische Störgeräusche gebraucht, die vom dünner gewordenen Organ ablenken würden, sagt man. Grauenhaft peinlich aber wäre es, wenn Charly Davidson versuchen würde, mit dem Zeitgeist zu gehen und zu rappen wie Sido oder Bushido.

Vieles aber, so ist zu hören, darunter ein Trennungs-Thriller namens "Torlos", sei überraschend druckvoll und bei aller Überladenheit erstaunlich transparent. "Ich war der, der Dir alles gegeben hat und Du hast es mir genommen", soll er veteranenhaft seine schmerzhafte Trennung von Uschi, seiner Ehefrau Nummer Zwei konstatieren. "Unsere Liebe war torlos unentschieden, eher Niederlage als ein Sieg“, fährt er fort und wer würde ihm nach all den Details der Beziehung, die man nach und nach erfahren konnte, widersprechen. So mancher Moment des Albums besäße gar dieselbe Dringlichkeit des Debüt-Albums "Kontaktaufnahme". Und natürlich sei auch Davidson nicht frei von Nostalgie: "Motor
" etwa, sei ein gewaltiges, langsam aufbauendes Epos von einem Electronic-Song.

Am Ende, zum Schluss des Albums, ginge es dann noch einmal emotional richtig zur Sache, wie man es von Davidson zu seinen besten Zeiten gewohnt sei. "Torso" wäre eine Ballade, die Bob Dylan zur Ehre reichen würde: "Geächtet, geschlachtet, geschändet, verachtet, musste ich konsequent zum Ende weitergehn, und das Ende, das ist jetzt zu sehen". Ende des Albums, Ende der Eigentherapie. Ende gut, alles gut?

Wenn das Album tatsächlich so ist, wie es von den genannten Insidern beschrieben wird, dann kann man Charly Davidson zu "TOR" nur beglückwünschen, dann wird es es ein gewaltiges, grandioses, aber auch abschreckendes, furchterregendes Album voller Höhe- und Tiefpunkte geworden sein, Abbild eines großen Rock 'n' Roll-Lebens vielleicht.

Dem Mythos Charly Davidsons aber wird man Blumen ans Grab bringen müssen, wenn das Album zu Weihnachten bei MEDIA MARKT aus den Boxen dudelt um den Konsum anzukurbeln. Von
"Schwarzfunkelden Sternen ..." hat er einst gesúngen "... mysteriös und geheimnisvoll zugleich". Das Ende, das ist jetzt zu sehen: Ausgefunkelt, Charly.

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