MUSIKER MUSIK NEWS / Ausgabe vom 12. Dezember 2008:
"WER WAR CHARLY DAVIDSON? - Annäherung an ein Phänomen" (Teil 1)
von Christian Menke
Vor knapp drei Wochen konnte ich hier vermelden, dass Charlys 'Heiliger Gral', das Album "TOR" am 19. Dezember in die Läden kommt. Nun ist er tot, der Mann, der dieses Album gemacht hat und viele andere seit 1982. Faul in der Veröffentlichung der eigenen Musik war er nie gewesen und wer bei GOOGLE seinen Namen eingibt, der findet dazu mehr als 3,8 Millionen Einträge - Herbert Grönemeyer wird dagegen nur 1,4 Millionen Mal gelistet und ein Heinz Rudolf Kunze bringt es gerade so auf 224.000 Ergebnisse. Ich finde, bei aller Häme, die in der Vergangenheit über diesen Mann geschüttet wurde, sollte das auch einmal erwähnt werden.
Wer war dieser Charly Davidson, der von Geburt an Karl David Korff hieß? Und vor allem: Was war er? Charly hat dazu im Vorwort seiner 2006 erschienenen Biografie von Rainer W. Sauer "Mit mir war alles anders" geschrieben, dass ihn seine Tochter einmal als äußerlich langweiligen Typen bezeichnet hat: "Du siehst einfach aus, wie man sich einen Beamten oder Buchhalter vorstellt. Schau Dir mal Neil Young an oder Chris Rea, Bob Dylan, Keith Emerson. Die sehen alle aus, wie Rock 'n' Roller, mehr oder weniger. In diese Reihe passt Du nicht rein." - Das saß und ist objektiv betrachtet sogar richtig.
Gegen dieses Image eines korrekten Gutmenschen, dass er ohne Frage mit Grönemeyer und Kunze teilt, hat Charly immer angekämpft. Aus einfachsten Verhältnissen kam der junge Karl David in den 70er-Jahren ins Licht der zweiten Riege der Frankfurter Musikszene und brachte es mit Intellekt und Fleiß, sowie als Fels in der Brandung der NDW, innerhalb von zehn Jahren ganz nach oben. Aber das allein hätte nicht zur heutigen Kult-Figur des Charly Davidson gereicht. Es kam ihm zur Hilfe, dass er 'multitaskingfähig' war, wie man es heute beschreiben würde.
Schon als Jugendlicher hatte sich ChD, so seine gängige Namens-Abkürzung, einen ersten eigenen Synthesizer gebaut und die Elektro-Musik war es dann auch, die ihm, über die nationale Ebene des Deutsch-Rock hinaus, weltweit Anerkennung und Geld einbrachte. In Wales am 1. Dezember 1957 geboren als Sohn deutscher Auswanderer, die bereits 1962 zurück nach 'Good Old Germany' gingen, war er grundsätzlich prädistiniert für eine internationale Karriere. Und was macht dieser Karl David Korff? Er nimmt die englische Version seiner beiden Vornamen, wird zu Charly Davidson ... und singt auf Deutsch. Das war nicht der einzige Moment in seinem Leben, in dem Davidson das machte, wovon 'man' - und damit ist sein Umfeld gemeint - ihm abgeraten hatte und er trotzdem gut damit fuhr. Charly hatte eben ein Näschen für das Richtige. "Expect the unexpected" - das war sein Leitspruch.
Natürlich funktionert so eine Karriere auch nicht ohne das notwendige Glück: Als er 1985 Gastmoderator bei der hr3 Sendung "Sounds vom Synthesizer" war, entdeckte er im Rahmen des Talentwettbewerbs "Neue Leute bracht das Land" eine Kassette der unbekannten Gruppe CAMOUFLAGE und führte sie zwei Jahre später zum Erfolg. Dafür dankten sie ihm und pushten sein Solo-Album "Korff Musik" kräftig und bis in die englischen Ambient Charts des MELODY MAKER. Das bekam sein 'Heimat'-Flughafen Cardiff mit und man spielte dort die Musik des Albums in der Wartelounge, was den britischen Elektromusik-Papst Brain O-N-E dazu brachte, Davidson/Korffs Musik in BBC Radio 1 bei Peter Powell als "Lounge Music" zu bezeichnen, während die eigene Musik "Ambient Music" sei, wie er betonte. Trotzdem: der Name eines Musik-Genres war geboren und Davidson ab 1988 ein gern gesehener Gast auch im United Kingdom.
Das durch seine Musik verdiente Geld investierte Davidson in Studios (berühmt das "Charly's Studio" in Steinheim bei Hanau; angesagt die "Jenafarm Studios" in Jena), legendäre Musikinstrumente und seltene Schallplatten. Gerade vor erst kurzem wurde seine Seriennummer 5 des weißen BEATLES-Albums für mehr als 19.000 Britische Pfund versteigert, 2000 kam Davidson in die Schlagzeilen, als Diebe ihm das MOOG Modular System von Keith Emerson aus dem Studio stahlen, aber den KURZWEIL 250 von "Popcorn"-Komponist Gershon Kinglsley übersahen. Auch sonst war Davidson freigiebig in finanziellen Dingen und feierte oft und umfangreich Partys mit Freunden und Wegstreckenbegleitern.
(... to be continued ...)
Lesen Sie nächste Woche in Teil 2 mehr über Davidsons Rolle in der Deutschen Musikszene!
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