Freitag, 5. Dezember 2008

Freitag, der 05. Dezember 2008 / Edit

VERMISSTENANZEIGE
von Sebastian von Loquitz

Korff war Legende. War für Fans und Presse ein "Titan des Wortes", eine von ihm nicht benutzte und gewollte Phrasierung, deren bloße Aussprache ihm bereits Wunden beibrachte. Gerne bezeichnete er sich jedoch als "Deutschlands letzte Hoffnung auf den Pop-Olymp", was ihm den Hass einiger Kollegen einbrachte, aber eine Zeit lang war er es tatsächlich.


Karl David Korff, einigen Menschen auch bekannt als Charly Davidson, war ein Mensch mit allen Stärken und Schwächen, die ihm sein Glauben an die Kunst gab. Und diese ihrerseits, drohten stets ihn zu zerreißen, wurden entgegengesetzte Fluchtlinien mit extremem Hang zur Zusammengehörigkeit. So wurde Davidson/Korff das, was er war und als was er wahrgenommen wurde: Arrogant genial und maßlos selbstbewusst, oft genug auch grenzenlos zaudernd und zutiefst depressiv. Ganz so, wie er es einmal in einer meiner TV-Sendungen sagte: "In mir schlägt ein gutes Herz mit bösen Rhythmusstörungen."

Am letzten Freitag, den 28. November 2008 stürzte Karl David mit dem Gleitschirm ins Meer. Das Ende seines Über-Lebens-Fluges kam mit knapp 51 Jahren und fast scheint es, als habe er es gewollt, nicht älter als 50 Jahre zu werden. Anzeichen für einen Suizid? Fehlanzeige (... genau - jetzt kommt das 'aber'), aber Davidson/Korff betrachtete seinen Tod stets als eine Art Privileg, als eine "Gute Gesellschaft", wie er es 2001 in seinem gleichnamigen Lied ausdrückte: "Werde ich sterben / dann werde ich sein / wie mein ganzes Leben: / Für immer allein."

Wenn man sich mit Korffs Lebensträumen befasst, dann fällt eines etwas auf, das sich mit dem 28. November letzten Jahres verbindet, und zwar der Tod Elly Beinhorns im Alter von 100 Jahren. Karl David Korff war leidenschaftlicher Flug-Fan und mit der lebenden Legende verband ihn, dass er 1993 unter dem Titel "Elly Beinhorn - Fliegerin" eine Fernsehdokumentation von Randi Crott und Peter Sommer produzierte, der Korff den Untertitel gab: "Sie war eine der berühmtesten Fliegerinnen in Deutschland, war das Idol einer ganzen Generation, besonders von Frauen, die von Höhenflügen solcher Art nur träumen konnten." - Dass ChD sich an einem 28. November mit seinem Paraglider den Weg in den Himmel bahnte und von dort nicht mehr zurückkehrte, zugleich der Tag, an dem der Film bei PHOENIX nochmals ausgestrahlt wurde, dazu noch genau halb so alt wie Elly - man kann dies hinterm Vordergrund nur als eine Art von Präzision bezeichnen, die er durchaus beherrschte.

Präzision jedoch hat nichts mit Zufall zu tun. Genau hier greift Korff. Er hatte stets betont, nicht abergläubig zu sein. Im Gegenteil: Davidson/Korff glaube an die Existenz von speziellen Zufällen (Zitat: "So etwas passiert mir ständig.") und deren kausalen Zusammenhang mit bestimmten Umständen. Vielleicht endete er deshalb in oder durch einen solchen 'speziellen' Zufall und zwar genau so, wie er es oft besungen hat: als "Überflieger".

Noch weiß man nichts genaues über Charly. Aber eine Woche ungewisse Abstinenz von ihm führt mich schon zu einer Vermisstenanzeige. Zeitspanne des Fehlens sowie die Umstände seines Verschwindens sind zu eindeutig, als dass man noch ein ein gutes Ende glauben kann. Korff, der bereits einmal aus Promotiongründen sein eigenes Ableben inszeniert hatte, hat mir einmal gesagt, dass er Gleichen nicht noch einmal machen würde, weil die Reaktionen und Umstände danach zu hetig waren. "Wenn ich noch einmal sterbe, dann wird das kein Fake mehr sein.

Ich glaube ihm und bin traurig, selbst wenn oder gerade weil in wenigen Tagen ein neues Album von ihm erscheint. Auch hier ist ein Überflieger-Song enthalten, mit Titel "Himmelstor".

[
Sebastian von Loquitz schrieb das Essay für die heutige Ausgabe des Kunstmagazins 'SENECA'. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verfassers. © 2008 bei SENECA Magazin]

Keine Kommentare: